Artikel:Entwicklungskultur

Ist unser Unternehmen ein guter Ort zum Wachsen?

Wenn wir Menschen fragen: Hilft dir dein Unternehmen, ein besserer Mensch zu sein? Oder hindert es dich daran, dein volles Potential zu entfalten? Dann führen diese Fragen zu spannenden Gesprächen.

Reicht es ein guter Ort zum Arbeiten zu sein?

Es geht um das Verhältnis von Mensch und Organisation und um unsere Erwartungen an den Arbeitsplatz. Und ziemlich schnell reden wir darüber, was wir in diesem Verhältnis für normal halten. Manche Menschen sagen, dass es überzogen wäre, zu erwarten, dass mir die Firma hilft, ein besserer Mensch zu sein. Manche sagen, das wäre New-Work-quatsch.

Doch wir können kaum überhören, dass die meisten Menschen sagen, dass sie die Arbeitsweise ihrer Organisation als Einschränkung erleben. Außerhalb der Firma wären sie kreativer und könnten sich besser entfalten. Sollten wir das als normal akzeptieren? Was würde es bedeuten, wenn die Menschen sagen würden: „Meine Firma hilft mir, mich zu entwickeln.“ Oder „Durch meine Firma werde ich kreativer und verwirkliche mein Potential!“ Was würde es für Unternehmen bedeuten, wenn die Mitarbeitenden sagen: „An jedem Tag, an dem ich im Unternehmen bin, verbessere ich meine Arbeit - und auch mich selbst!“

Vielleicht ist unsere Vorstellung davon, was auf der Arbeit „normal“ ist, reif für ein Update? Vielleicht ist unsere Vorstellung davon auch ein Teil des Problems? Zumindest wissen wir heute, dass es besonders erfolgreiche Unternehmen sind, von denen Menschen genau so etwas sagen. Und wir wissen, dass es Unternehmen gibt, die ihre Organisationskultur in eine Entwicklungskultur wandeln wollen.

Reicht es heute für Unternehmen eigentlich aus, ein guter Arbeitsplatz zu sein? Sollten Unternehmen nicht ein guter Ort zum Wachsen sein?

Der Microsoft Work Trend Index 2022 stellt fest, dass „Entwicklungsmöglichkeiten“ der wichtigste Faktor für eine erstrebenswerte Unternehmenskultur sind. Mehr Unterstützung für die persönliche Weiterentwicklung würde 76% der Mitarbeitenden dazu bewegen, länger für das gleiche Unternehmen zu arbeiten. Joachim Kreuzburg, CEO der Sartorius AG, sagt, Talente gewinnen und halten sei der entscheidende Faktor für das Wachstum von Unternehmen geworden. Wir fassen zusammen: Wenn Menschen sich entwickeln können, können Unternehmen wachsen.

Zahlen aus einer Studie von Microsoft 2022

Unternehmen als Orte des Wachstums

Die Entwicklungspsychologen Robert Kegan und Lisa Lahey haben sich mit Unternehmen befasst, die die Entwicklung der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt der eigenen Abläufe stellen. Sie beschreiben einen Typus von Organisation, den sie Deliberately Developmental Organization  (DDO) nennen. In einer DDO befasst sich nicht nur HR mit Personalentwicklung. Talententwicklung ist nicht allein Sache von Auswahlprogrammen für Führungskräfte. Jede Person, von der Werkstatt bis zum/zur CEO, ist gefordert, das Beste aus sich zu machen – und profitiert dafür von einer förderlichen Umgebung. Jede Person lernt – jeden Tag. Alle entwickeln sich. In der Unternehmenskultur sind klare Prinzipien für gemeinsames Lernen verankert. In den Prozessen sind wirksame Feedbackschleifen definiert. Die alltägliche Tätigkeit der Organisation ist das Lernfeld. Man spürt, dass die anderen mein Bestes wollen. So wie ich bin – bin ich in Ordnung. Und gleichzeitig werde ich in meiner Entwicklung gefördert. Das Wachstum der einzelnen Person und das Wachstum des Unternehmens sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

In ihrem Buch „An everyone Culture“ beschreiben Kegan und Lahey verschiedene Unternehmen, die über Jahre hinweg starke entwicklungsorientierte Unternehmenskulturen herausgebildet haben. Diese DDOs sind keine karitativen Unternehmen. Sie kommen nicht aus dem Bildungs- oder Gesundheitswesen. Es sind höchst erfolgreiche wirtschaftliche Unternehmen, die nicht selten Marktführer ihrer Branche sind. Ein Hedgefonds, ein Lichtspielhaus und ein Softwareunternehmen. Wir können davon ausgehen, dass eine Unternehmenskultur, die sich auf Wachstum und Entwicklung fokussiert nicht nur für die Bindung von Mitarbeitenden Vorteile bietet, sondern auch die Innovationskraft und Produktivität der Organisation positiv beeinflusst.

Die Arbeitswelt liefert persönliche Herausforderungen. Nutzen wir sie ausreichend für persönliche Entwicklung?

Was ist mit Entwicklung gemeint?

Wenn in wirtschaftlich tätigen Unternehmen über die Entwicklung von Menschen geredet wird, dann geht es oft um die Erweiterung von Fähigkeiten. Welche Anforderungen gibt es an die Mitarbeitenden, welche Fähigkeiten braucht es dafür und wie kann die Leistung verbessert werden. Wenn wir über persönliche Entwicklung in Organisationen sprechen, geht es sowohl um das Training von Fertigkeiten als auch um die Unterstützung der Selbstentwicklung. Wie wir uns selbst und die Welt verstehen hat viel damit zu tun, wie wir die Dinge sehen und an sie herangehen. In unserer Untersuchung verschiedener Unternehmenskulturen fanden wir eine hohe Zustimmung zu der Aussage: „Meine Arbeit fordert mich immer wieder etwas Neues über mich zu lernen.“ (Zustimmung 86%). Die Herausforderungen der Arbeitswelt werden als persönliche Herausforderungen erlebt. Doch zu selten bieten Unternehmen die Unterstützung, die hilft, diese Herausforderungen in persönliche Entwicklung zu wandeln. Dabei ist dies für Unternehmen vielversprechend. Die neueren Entwicklungstheorien machen deutlich, dass Selbstentwicklung im Erwachsenenalter zu einem besseren Umgang mit hoher Komplexität befähigt, wirksame Kollaboration unterstützt und zu einer umfassenderen Verantwortungsübernahme führt. Entwickeln sich Menschen im Erwachsenenalter weiter, dann können sie besser den komplexen Herausforderungen unserer Welt gerecht werden. Dabei geht es im Kern um die Weiterentwicklung des eigenen Selbstverständnisses. Auf dieser Grundlage können sich Fähigkeiten in neuer Qualität entfalten.

Selbstentwicklung

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Entwicklung des Menschen mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter abgeschlossen ist. Wir können Karriere machen – aber als Person sind wir fertig. Und lernen im Alter galt als schwer:„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sagte man früher. Heute wissen wir, dass wir nicht nur von der Kindheit zur Jugend und zum Erwachsenen große Entwicklungsschritte machen, sondern auch im Erwachsenenalter uns selbst weiter entwickeln können. Auch die Hirnforschung stützt diese Sichtweise. Das Gehirn ist kein statischer Zellklumpen der Informationen aufbewahrt, sondern ein dynamisches Netzwerk, das sich höchst wandlungsfähig zeigt – wenn es benutzt wird.

Unser Modell von Entwicklung

Ein zentraler Aspekt von Entwicklung im Erwachsenenalter wird als Selbstentwicklung durch die konstruktivistische Entwicklungstheorie von Robert Kegan beschrieben. Der Harvard–Professor unterscheidet verschiedene Entwicklungsstufen, denen im Kern ein jeweils anderes Selbstverständnis zugrunde liegt. Wie wir uns selber verstehen, formt, wie wir die Welt verstehen und wie wir mit der Welt interagieren. Unser Selbstverständnis ist wie eine Brille, durch die wir die Welt betrachten. Sie formt, was wir sehen können. Selbstentwicklung geschieht, wenn wir die Ränder der Brille erkennen und erweitern lernen. Dafür bietet die Theorie eine Landkarte und lädt uns auf eine Entdeckungsreise ein.

Als „erwachsen“ bezeichnet man einen Menschen, der die Erwartungen der Gesellschaft an sich versteht und eigenständig erfüllen kann. Man steht auf den eigenen Beinen, hat verstanden, was es braucht, seinen gesellschaftlichen Platz einzunehmen. Man kann seine eigenen Bedürfnisse erfüllen oder auch zurückstellen, wie es gerade angemessen ist. Wer den eigenen Bedürfnissen ausgeliefert ist, gilt als unreif. Das Kind ist mit den Bedürfnissen identifiziert. Es sieht die Welt durch die Bedürfnisse. Als erwachsene Person kann ich mit meinen Bedürfnissen umgehen, ich habe eine Beziehung zu ihnen. Sie sind nicht das Subjekt meines Handels - sondern das Objekt. Robert Kegan spricht in der Selbstentwicklung vom „Socialized Mind“, dem sozialisierten Selbst. Das sozialisierte Selbst hat die Erwartungen der Gesellschaft, der Gruppe zu der es gehört, verstanden und übernommen. Das ist bei Jugendlichen zunächst die Peergroup, bei Erwachsenen sind es die Werte von prägenden Autoritäten. Was haben mir meine Eltern beigebracht, mein erster Chef? Meine Orientierung durch meine Ausbildung oder meinen Glauben formen meine Vorstellung davon „wie die Dinge sind.“

Die meisten erwachsenen Menschen in unserer Gesellschaft befinden sich Studien zu Folge im Übergang vom sozialisierten Selbst zum sich selbst erschaffenden Selbst. In diesem Übergang erfahren wir die Konflikte zwischen verschiedenen Rollenanforderungen als sehr herausfordernd und müssen uns unser eigenes Wertesystem erschaffen. Unsere Welt ist zu komplex, als das ein einmal gelerntes Set an Werten uns Orientierung für das ganze Leben bietet. Das sich selbst erschaffende Selbst, im englischen „Self-authoring Mind“, nimmt den Stift in die Hand und schreibt die Geschichte seines Lebens selbst. Die Person beginnt sich selbst zu definieren und entscheidet: Was heißst es für mich, ein guter Mensch zu sein? Welche Wirkung möchte ich haben? Welche Kompetenzen habe ich und welche möchte ich noch erwerben? In der Weiterentwicklung des Selbst findet man neue eigene Antworten und verantwortet diese aus sich selbst heraus. Rund ein Drittel der Erwachsenen in unserer Gesellschaft identifiziert sich, so sagen Studien, auf diese Art und Weise.

Die Entwicklung vom sozialisierten Selbst zum sich selbst erschaffenden Selbst zeigt das große Potential, das für Unternehmen in der Förderung von Selbstentwicklung liegt. Umfassendere Verantwortungsübernahme, eigenständiges unternehmerisches Verfolgen von Zielen bei gleichzeitiger Antizipation der Auswirkungen des Handelns auf andere – dies sind Herangehensweisen, die auf Grundlage eines sich selbst erschaffenden Selbst aufblühen.

Entwicklungstheorie im Erwachsenenalter

Eine weitere Entwicklungsstufe bezeichnet Robert Kegan als das sich selbst transformierende Selbst. Knapp 10% der erwachsenen Bevölkerung, so die Studienlage, befinden sich im Übergang vom sich selbst erschaffenden Selbst zum sich selbst transformierenden Selbst. Kegan beschreibt das Selbstverständnis dieser Stufe als Identifikation mit dem Prozess des Werdens. Während das sich selbst erschaffende Selbst mit seinen ausgewählten Werten identifiziert, sieht sich das sich selbst transformierende Selbst eher in der Beziehung zu verschiedenen Werten. „Nichts Menschliches ist mir fremd“ sagte Nietzsche. Ich bin, was ich sein möchte – und anerkenne, dass ich gleichzeitig durch meine Umwelt geformt werde. „Ich bin werdend am Du“ heißt es in der Dialog-Philosophie von Martin Buber. Das Selbst auf dieser Stufe identifiziert sich sowohl mit dem einen Pol als auch mit dem anderen – und der Bewegung dazwischen. Der leichtere Umgang mit Komplexität ist ein wichtiges Charakteristikum für Menschen, die dieses Potential verwirklichen. Man kann verschiedene Werte verbinden und Synergien erkennen. Sicherlich Fähigkeiten, die Organisationen in unseren Zeiten nützlich wären.

Die großen Entwicklungsschritte im Erwachsenenalter sind keine Blaupause für einen Trainingsplan im Unternehmen. Doch wenn wir die Landkarte der Entwicklung betrachten, macht es Sinn zu überlegen, wie Unternehmen kontinuierlich Entwicklung fördern können. Dabei denken wir nicht an Entwicklung neben der Arbeit. Entwicklung passiert während der Arbeit – meine Arbeit fordert mich heraus, mich zu entwickeln. Ich entwickele mich an meiner Arbeit und damit wird meine Arbeit meine Entwicklungsherausforderung. Wenn Unternehmen die Mitarbeitenden in ihrer Entwicklung fördern, tragen sie etwas dazu bei, dass sich Menschen entwickeln und dass die Arbeitsergebnisse besser werden.

Lohnt sich dieser Weg? Sind die Menschen dafür bereit? In unserer Studie zu Entwicklungskulturen in Unternehmen konnten wir einen engen Zusammenhang zwischen den Indikatoren für eine Entwicklungskultur und denen für Arbeitszufriedenheit feststellen. Unsere Arbeit fordert uns heraus, uns zu entwickeln – und es gibt wenig Dinge, die eine so starke Bindung zwischen Menschen bewirken, als wenn wir zusammen lernen und wachsen.

Was macht eine entwicklungsorientierte Kultur aus?

Was können Unternehmen tun, um eine entwicklungsorientierte Kultur hervorzubringen?

Eine Initiative zur Entwicklung der Unternehmenskultur ist ein mehrjähriges Projekt. Es braucht Commitment und einen langen Atem. Es braucht die Bereitschaft, immer wieder zu lernen.

Viele Unternehmen beschäftigen sich mit der Unternehmenskultur, weil sie ihre Arbeitgebermarke neu justieren wollen. Das Herausbilden einer Entwicklungskultur schafft etwas sehr besonderes – ist jedoch nicht mit einem gut gestalteten Flyer und einem tollen Design zu erreichen. Solch ein Prozess braucht einen neugierigen Blick auf den Status Quo, einen langen Atem, nachsteuern, verlernen, umlernen, neu lernen – dann kann etwas Einzigartiges geschehen.

Als einen Blick auf den Status quo haben wir eine Studie in sechs verschiedenen Unternehmen gemacht und dafür ein Befragungsinstrument entwickelt.

In der Studie konnten Unternehmen ihre Ergebnisse im Benchmark zu anderen Unternehmen sehen, womit einige Besonderheiten der eigenen Kultur sichtbar wurden. Der Fragebogen wurde in einer ersten Version gemeinsam mit der Abteilung für Angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz entworfen. Für die Studie wurden die Items erweitert und von einem internationalen Expertengremium beurteilt. Erfasst wurde das Verhältnis der Dimension von Herausforderung und Unterstützung sowie verschiedene Praktiken, die Ansatzpunkte für die Herausbildung einer Entwicklungskultur bieten. Darüber hinaus wurde die Zustimmung zu zentralen Aussagen über eine Entwicklungskultur abgefragt.

Studiendesign zur Erhebung von Entwicklungskultur in Unternehmen

Die Ergebnisse vermitteln ein erstes Bild davon, wie das Verhältnis von Herausforderung und Unterstützung ist. Wie sieht eine gute Balance für das Unternehmen aus, so dass sich jede Person gleichzeitig gefördert und auch gefordert fühlt? Welche Praktiken sind in Reichweite oder bereits ausgebildet?

Ein Cockpit für die Kulturentwicklung

In der praktischen Durchführung in den beteiligten Unternehmen haben wir mit den Unternehmen überprüft, welche Startpunkte für die Herausbildung einer Organisationskultur für Entwicklung und Wachstum zu erkennen sind. Dabei haben sich folgende Bereiche als vielversprechend gezeigt.

Aus Fehlern lernen

Für die Etablierung einer Entwicklungskultur ist der Umgang mit Fehlern ein relevantes Thema. Fehler passieren in jeder Organisation. Alle im Unternehmen beobachten, wie mit Fehlern umgegangen wird. Was wird als Fehler angesehen und wie werden Fehler sanktioniert. Der Umgang mit Fehlern ist daher ein leicht verfügbares Maß dafür, wie ernstLernen in der Kultur des Unternehmens verankert ist. Wird mit Fehlern umgegangen? Wird aus Fehlern gelernt? Unter welchen Bedingungen ist Lernen in Ordnung und unter welchen nicht? Offene Gespräche zu diesem Thema führen in der Regel wichtige Aspekte einer Organisationskultur zu Tage und bieten gute Ansätze für die Weiterentwicklung.

Nur wenige Unternehmen nutzen Feedback in den Prozessen der Organisation systematisch für Entwicklung und Wachstum ergab unsere Studie.

Feedback fördern

Eine weithin unterschätzte Ressource für eine Entwicklungskultur ist Feedback. Die wenigsten Organisationen schaffen ausreichend Raum, um Feedback als selbstverständlichen Teil der Unternehmensabläufe zu etablieren. Auch in agil strukturierten Arbeitsprozesse können wir häufig feststellen, dass Retros und Lessons learned an der Oberfläche verbleiben, bevor sie nach und nach von der Agenda verschwinden. Feedback ist eine grundlegende Zutat für Lernen in sozialen Systemen. Die Dichte von Feedback in Organisationen zu erhöhen und die Neugier dafür zu wecken, ist ein wichtiger Schritt zur Etablierung von mehr Lernen in Organisationen.

Kulturworkshops

Moderierte Gespräche zum Umgang mit Feedback oder zum Umgang mit Fehlern sind reichhaltige Quellen, um über die aktuelle Unternehmenskultur zu lernen. Leicht zeigen sich die Bremsen des Lernens – und Wege diese zu überwinden. Wir gestalten Workshops, in denen verschiedene Gruppen einer Organisation herausarbeiten, welches die limitierende Faktoren der Unternehmenskultur sind und wie diese kulturellen Codes gehackt werden können. In den Workshops werden kollektive Lernexperimente entworfen, die über die bestehenden kulturellen Muster hinaus einen Lernprozess ins Neue gestalten. 

Gemeinsam Lernformate entwerfen

Eine weitere Aufgabe für moderierte Workshops kann es sein, mit verschiedenen Akteuren zusammen für die Organisation angepasste Lernformate zu entwerfen. Dabei kann auch der von uns entwickelte Change Pod als Anregung genutzt werden. Er baut auf dem Immunity to Change Ansatz von Robert Kegan und Lisa Lahey auf und bietet ein Format, bei dem sich die Teilnehmenden gegenseitig unterstützen, ein wichtiges persönliches Entwicklungsziel zu erreichen. 

Kulturentwicklung sehen wir als einen Prozess, in dem die die Organisation für sich ein einzigartiges Set an Übungen erfindet, das ihre geschäftlichen Herausforderungen als Lernherausforderungen widerspiegelt. 

In der Führung beginnen

Eine Kultur ist das Ergebnis dessen, was eine Gruppe von Menschen als erfolgreich erfahren hat. Unsere Empfehlung ist, immer mit den Führungskräften einer Organisation zu beginnen. Sind die Führungskräfte bereit zu lernen? Sonst steht es um die Lernkultur schlecht. In vielen Unternehmen wird es als Privileg der Führung angesehen, dass man nicht lernen muss. Sich entwickeln ist notwendig für die anderen. Führen bedeutet jedoch vorangehen. Die Mitarbeitenden schauen den Führungskräften auf die Hände - nicht auf den Mund. In den Projekten, in denen die Führungskräfte für das Lernen vorangegangen sind, haben wir bisher die besten Ergebnisse gesehen.

Aktuelle Herausforderungen als Startpunkt

Die Herausbildung einer Organisationskultur für Entwicklung und Wachstum ist ein komplexes Vorhaben. Gleichzeitig ist es auch ganz schlicht.Im Unternehmen beginnt eine Steuerungsgruppe, die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens unter einer kulturellen Perspektive zu betrachten. Welche kulturellen Faktoren tragen zur Lösung der Herausforderung bei? Welche verhindern diese? Zur Aufdeckung der kulturellen Faktoren braucht es Gespräche in verschiedenen mittelgroßen Gruppen, um kollektive kulturelle Annahmen zu identifizieren. Nach Edgar Schein, dem Begründer unseres Verständnisses von Unternehmenskultur, sind kollektive Annahmen die Treiber einer Kultur. Diese müssen besprechbar werden, um veränderbar zu werden. Dies geschieht in den genannten Kulturworkshops.

Systematisches Review

Ein systematisches Review der Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen ist ein weiterer hilfreicher Startpunkt. Damit erschließt sich eine Steuerungsgruppe den aktuellen Stand der Maßnahmen für Wachstum und Entwicklung und kann Überlegungen anstellen, welche Veränderungen hier notwendig sind. Teil des Reviews sollte das Verhältnis der empfundenen Herausforderung und der empfundenen Unterstützung sein. Überwiegt im Unternehmen die erlebte Herausforderung oder die erlebte Unterstützung? Diese Frage sollte bei der Planung aller weiteren Maßnahmen eine hohe Beachtung finden. Entwicklung geschieht da am besten, wo wir uns sowohl herausgefordert als auch unterstützt fühlen. Erleben die Menschen in der Organisation die Bemühungen zur Einführung einer entwicklungsorientierten Unternehmenskultur allein als Herausforderung und erfahren nicht auch die notwendige Unterstützung, so stehen die Chancen für den Kulturwandel schlecht.

In unserer Studie konnten wir feststellen, dass die Unternehmen, die die stärksten Merkmale einer Organisationskultur für Entwicklung und Wachstum aufweisen die stärkere Ausprägung auf der Seite der Unterstützung zeigten. In unserer Kultur gilt es noch zu häufig als Schwäche Unterstützung zu brauchen. Doch wir Menschen sind soziale Wesen. Wir lernen und wachsen am besten mit anderen zusammen. Vermutlich können wir sagen, erst wenn wir glauben, dass wir zuviel Unterstützung geben – erst dann geben wir genug.

Als Gesellschaft sind wir wahrscheinlich erst am Anfang zu verstehen, welche Vorteile wir davon haben werden, persönliche Entwicklung über die gesamte Lebensspanne zu fördern. Für Kindheit und Jugend haben wir Schulen entworfen. Auch wenn wir mit den Schulen nicht vollständig zufrieden sind – was hält uns davon ab, dass wir zusammen überlegen wie wir die Schule des Lebens besser bewältigen? Welche Institutionen gibt es die die Entwicklung im Erwachsenealter unterstützen? Wäre es nicht etwas, das unsere Gesellschaft braucht? Warum sollten wir uns nicht gegenseitig gezielter unterstützen, damit jede Person besser lernen kann, was sie lernen möchte? Was hätten wir davon, wenn wir besser zusammen lernen und wachsen würden?

Quellen:

Große Teile dieses Artikels wurden auf der Change Tagung in Basel im Januar 2024 vorgetragen. Weitere Gedanken zu dem Thema und die Literaturangaben finden sich in unserem Tagungsbeitrag:

Willms, Johannes. Willms, Sara. Schmuck, Maria. (2023). Herausforderung Wachstum – Zwang zur Anpassung oder Freiheit für Entwicklung? In Geramanis, Olaf. Hutmacher, Stefan. Walser, Lukas. Herausgeber. (2023). Organisationale Machtbeziehungen im Wandel. Führung zwischen Zustimmung und Zwang. SpringerGabler.

Als wichtige Inspiration dient uns. Kegan, Robert. Laskow Lahey, Lisa. et.al. (2016). An everyone culture. Becoming a Deliberately Developmental Organization. Harvard Business Review Press.

Danke an unsere Forschungspartnerinnen und Partner bei den Firmen Roche, Swisscom, Arineo, Konu, Nexplore und Joyncoop für die Beteiligung an der Studie! Vielen Dank an die Abteilung für Angewandte Psychologie der FHNW Nordwestschweiz. Und vielen Dank an unser Team internationaler Expert*innen für das Rating der items! You rock!

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